Emotionale Abhängigkeit verstehen: Nähe, Sucht und das innere Kind
- Bodymind Therapy
- 25. März
- 2 Min. Lesezeit

In der klassischen Psychologie wird emotionale Abhängigkeit oft als abhängige Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Diese Diagnose beschreibt Menschen, die stark auf Bestätigung und Nähe von anderen angewiesen sind, um ein Gefühl der Sicherheit und des Selbstwertes zu erfahren. Die Verhaltensmuster ähneln denen einer Sucht: So wie ein Mensch mit einer Substanzabhängigkeit sein Wohlgefühl über die Droge reguliert, bezieht eine emotional abhängige Person ihr emotionales Gleichgewicht aus der Nähe und Bestätigung anderer [1].
In der Bodymind Therapie nehmen wir jedoch eine Perspektive ein, die emotionale Abhängigkeit eher als eine Suchtform und weniger als eine Persönlichkeitsstörung versteht. Diese Herangehensweise geht zurück auf die Vorstellung, dass emotionale Abhängigkeit den kindlichen Bindungsmustern ähnelt, in denen ein Kind auf die Mutter angewiesen ist, um Sicherheit zu finden. Diese grundlegende Abhängigkeit von einer Bezugsperson bleibt oft unbewusst im Erwachsenenalter bestehen und äußert sich als eine Art Bindungssucht, bei der das „innere Kind“ auf die „innere Mutter“ oder den „inneren Vater“ projiziert wird. Dies geschieht häufig in romantischen Beziehungen, wo Partner*innen zu einer Quelle emotionaler „Versorgung“ werden [2].
Wissenschaftliche Forschung unterstützt diese Auffassung zunehmend. Studien zeigen, dass emotionale Bindung im Gehirn dieselben Belohnungsprozesse aktiviert wie Substanzen, die abhängig machen. Dopamin wird ausgeschüttet, sobald Nähe und Bestätigung in der Beziehung erfahren werden, und der Verlust oder die Distanz zur geliebten Person kann dann wie ein „Entzug“ erlebt werden. So wird emotionale Abhängigkeit zu einem Verlangen, das ständig gestillt werden muss, ähnlich wie eine substanzgebundene Sucht [3].
Forscher wie Stanton Peele und Howard Shaffer weisen darauf hin, dass Verhaltensmuster der emotionalen Abhängigkeit ähnliche Strukturen aufweisen wie substanzgebundene Abhängigkeiten. Sie beschreiben, wie das ständige Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und die Suche nach Nähe zu Kontrollverlust führen und emotionale Abhängigkeit mehr mit einem süchtigen Verhaltensmuster als mit einem reinen Persönlichkeitsproblem vergleichbar machen. Das zeigt sich deutlich, wenn emotionale Abhängigkeit in ungesunden Beziehungen gelebt wird, die trotz Schmerzen und Konflikten nicht beendet werden können – ähnlich wie ein Suchtverhalten, bei dem trotz negativer Konsequenzen immer weiter konsumiert wird [4].
Diese Muster knüpfen an das an, was in der Bindungsforschung als Bindungssucht bezeichnet wird. Philip Flores, ein Experte für Bindungssucht, argumentiert, dass emotional abhängige Menschen ein ähnliches Gefühl von Entzug erleben, wenn die Nähe zur Bezugsperson fehlt. In der Bodymind Therapie beleuchten wir diese Mechanismen und regen an, andere Wege zu entwickeln, um emotionale Sicherheit und Selbstwert unabhängig von der Bestätigung durch andere aufzubauen [5].
Indem wir emotionale Abhängigkeit als Sucht betrachten, verlagert sich der therapeutische Fokus darauf, diese Muster zu erkennen und gezielt gesunde Abgrenzung sowie emotionale Unabhängigkeit zu fördern. Emotionale Regulation wird auf neue Weise gelernt, sodass sich die Klient*innen nicht länger über eine Person im Außen stabilisieren, sondern neue Wege finden, ihre emotionalen Bedürfnisse eigenständig und bewusst zu erfüllen.
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Quelle
Peele, S., & Brodsky, A. (1975). Love and Addiction. New American Library.
Mellody, P., Wells, A., & Miller, J. K. (2003). Facing Love Addiction. HarperOne.
Schore, A. N. (2003). Affect Dysregulation and Disorders of the Self. W. W. Norton & Company.
Peele, S., & Brodsky, A. (1975). Love and Addiction. New American Library.
Flores, P. J. (2004). Addiction as an Attachment Disorder. Jason Aronson.
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