Die Bodymind-Therapie basiert auf drei wesentlichen Zeitlinien: der intrapersonalen Ebene, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt und durch Körperpsychotherapie unterstützt wird; der interpersonalen Ebene, die in der Gegenwart verankert ist und durch Kommunikations- und Beziehungscoaching bearbeitet wird; und der transpersonalen Ebene, die auf die Arbeit an der Zukunft ausgerichtet ist und im Life Potential Coaching im Fokus steht. Häufig fällt es Klient*innen schwer, sich auf die transpersonale Ebene einzulassen und sich eine erfüllende, realistische Zukunft vorzustellen. Hier setzen gezielte, oft herausfordernde Übungen im Life Potential Coaching an, um Blockaden zu lösen, die die Visualisierung der Zukunft erschweren. Die zugrunde liegende Theorie schöpft unter anderem aus der prospektiven Psychologie – einem Forschungsfeld, das sich intensiv mit der Vorwegnahme zukünftiger Gedanken, Gefühle und Handlungen befasst. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse bieten einen Rahmen, um die zugrunde liegenden Hindernisse besser zu verstehen und systematisch anzugehen.
Gegenwartsfokus und seine Auswirkungen auf die Zukunftsarbeit
Ein zentraler Grund, warum viele Klient*innen Schwierigkeiten mit der Zukunftsvisualisierung haben, ist der sogenannte "Präsentismus" – die starke Tendenz, gegenwärtige Emotionen und Überzeugungen unbewusst auf die Zukunft zu projizieren. Diese Tendenz ist tief in psychologischen Prozessen verankert und basiert darauf, dass unsere Wahrnehmung der Zukunft stark von unserem aktuellen Zustand beeinflusst wird. Gilbert und Wilson (2007) beschrieben dies als eine Art „mentales Ankerphänomen“: Da unser gegenwärtiges Erleben ständig präsent ist, neigen wir dazu, dieses auf die Zukunft zu übertragen. Dies führt dazu, dass Klient*innen ihre momentanen Gefühle und Lebensumstände als unveränderlich wahrnehmen und somit zukünftige Entwicklungs- oder Veränderungsmöglichkeiten außer Acht lassen.
Das Life Potential Coaching thematisiert diesen Gegenwartsfokus, indem gezielte Übungen angewandt werden, die Klient*innen ermöglichen, den gegenwärtigen Zustand bewusst zu hinterfragen. Ziel ist es, eine tiefere Vorstellungskraft für zukünftige Möglichkeiten zu entwickeln und die Wahrnehmung von Veränderungen zu stärken. Die Forschung hat gezeigt, dass dieser Prozess förderlich für die Steigerung der Flexibilität im Denken und die Reduzierung von Ängsten vor zukünftigen Unsicherheiten ist.
Kognitive Verzerrungen und das Bild einer stabilen Zukunft
Ein weiterer entscheidender Faktor, der die Zukunftsvisualisierung beeinträchtigt, ist die End-of-History-Illusion. Diese kognitive Verzerrung, die von Quoidbach, Gilbert und Wilson (2013) untersucht wurde, beschreibt die Annahme, dass persönliche Veränderungen in der Vergangenheit zwar anerkannt werden, jedoch die zukünftigen Entwicklungen als weniger signifikant oder sogar als unwahrscheinlich angesehen werden. Die Forscher betonen, dass Menschen häufig in die Annahme verfallen, sie hätten den Höhepunkt ihrer persönlichen Entwicklung bereits erreicht, was zu einer Fehleinschätzung ihrer zukünftigen Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten führt.
Diese Verzerrung erschwert es, eine dynamische Zukunft zu visualisieren, da Klient*innen das Gefühl haben, dass sie bereits "fertig" sind oder ihre gegenwärtigen Charakterzüge und Umstände stabil bleiben werden. Im Life Potential Coaching wird dieses verzerrte Bild systematisch hinterfragt, indem Techniken eingesetzt werden, die Klient*innen anregen, ihre Vorstellungskraft zu erweitern und die Zukunft als offenen Entwicklungsprozess wahrzunehmen. Wissenschaftliche Studien zu diesem Ansatz zeigen, dass Menschen, die in ihrer Persönlichkeitsentwicklung flexibler denken, insgesamt besser in der Lage sind, mit Herausforderungen umzugehen und langfristige Ziele zu verfolgen.
Die Präsenz als Anker und das Überwinden von Ungewissheit
Für viele Klient*innen bietet der starke Fokus auf das Hier und Jetzt ein Gefühl der Sicherheit und Stabilität. Dieser „Anker“ in der Gegenwart dient als Schutzmechanismus in einer oft unvorhersehbaren Welt und stellt eine wertvolle Ressource dar, um gegenwärtige Herausforderungen zu meistern. Doch diese Präsenzorientierung kann gleichzeitig dazu führen, dass die Vorstellung einer veränderlichen und potentiell herausfordernden Zukunft vernachlässigt wird.
In der prospektiven Psychologie wird darauf hingewiesen, dass Ungewissheit eine wesentliche Komponente menschlicher Entwicklung ist (Carleton, 2016). Das Vermeiden oder Übersehen von Unsicherheiten in der Zukunft kann zu einer starren und unflexiblen Sichtweise führen, die wichtige Chancen und Wachstumsmöglichkeiten vernachlässigt. Das Life Potential Coaching arbeitet in diesem Kontext daran, Klient*innen behutsam dabei zu unterstützen, sich der Ungewissheit zu stellen und sie als wertvollen Raum für Potenziale und Entfaltungsmöglichkeiten zu betrachten.
Dieser Ansatz basiert auf empirischen Erkenntnissen, die zeigen, dass Menschen, die sich auf Unsicherheiten einlassen und diese als Teil ihres Entwicklungsprozesses akzeptieren, resilienter und optimistischer in Bezug auf ihre Zukunft sind. Sie entwickeln ein höheres Maß an Selbstwirksamkeit und Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, mit zukünftigen Herausforderungen erfolgreich umzugehen.
Gestalte Deine Zukunft
Die prospektive Psychologie bietet eine fundierte Basis, um die Bodymind-Therapie und das Life Potential Coaching zu bereichern. Durch das gezielte Aufarbeiten der Einflüsse der Gegenwart und der kognitiven Verzerrungen sowie das bewusste Herangehen an die Ungewissheit wird es Klient*innen ermöglicht, die transpersonale Ebene der Bodymind-Arbeit als kraftvolle Ressource für die Zukunft zu nutzen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der prospektiven Psychologie sind daher nicht nur theoretischer Natur, sondern bieten konkrete Werkzeuge, um die Herausforderungen der Zukunftsvisualisierung zu meistern und Klient*innen dabei zu unterstützen, eine erfüllte und zukunftsorientierte Lebensgestaltung zu entwickeln.
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Quellen
Gilbert, D. T., & Wilson, T. D. (2007). Prospection: Experiencing the Future. Science, 317(5843), 1351–1354.
Quoidbach, J., Gilbert, D. T., & Wilson, T. D. (2013). The End of History Illusion. Science, 339(6115), 96–98.
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