
Die Suche nach einem erfüllten Leben ist so alt wie die Menschheit selbst. In der Philosophie, Psychologie und spirituellen Praxis gibt es unterschiedliche Perspektiven darauf, was Glück bedeutet und wie es erreicht werden kann. Zwei wesentliche Konzepte, die sich mit diesem Thema befassen, sind Eudaimonie und Dharma. Während die Psychologie oft zwischen hedonischem und eudaimonischem Glück unterscheidet, geht die spirituelle Praxis des Karma Yoga noch einen Schritt weiter und stellt das Handeln ohne Anhaftung in den Mittelpunkt. Diese Verbindung zwischen Psychologie, Philosophie und transpersonaler Praxis zeigt, wie ein Leben jenseits von Vorlieben und Abneigungen zu innerer Freiheit führen kann.
Hedonie und Eudaimonie – zwei Wege des Glücks
In der positiven Psychologie gibt es zwei zentrale Herangehensweisen an das Glück: Hedonie und Eudaimonie. Hedonisches Glück entsteht durch das Streben nach Vergnügen und die Vermeidung von Schmerz. Diese Perspektive sieht Wohlbefinden als eine Abfolge angenehmer Empfindungen, die jedoch meist nur kurzfristig anhalten. Das Phänomen der „hedonischen Tretmühle“ beschreibt, dass Menschen nach einem angenehmen Erlebnis oft wieder zu ihrem ursprünglichen emotionalen Ausgangszustand zurückkehren.
Eudaimonisches Glück hingegen ist nachhaltiger, da es auf tiefere Werte, persönliches Wachstum und die Verwirklichung des eigenen Potentials abzielt. Es ist nicht abhängig von angenehmen Emotionen, sondern entsteht durch die bewusste Entscheidung, gemäß den eigenen Werten zu handeln – selbst wenn dies mit Herausforderungen und kurzfristigem Unwohlsein verbunden ist. Ein sinnvolles Leben erfordert daher mehr als nur Freude; es erfordert ein Handeln im Einklang mit dem, was tief im Inneren als richtig empfunden wird.
Dharma und Karma Yoga – Handeln ohne Anhaftung
Die Idee der Eudaimonie findet eine faszinierende Entsprechung in den Prinzipien des Karma Yoga, wie sie in der Bhagavad Gita beschrieben werden. Karma Yoga lehrt, dass wahres Handeln unabhängig von persönlichen Vorlieben und Abneigungen sein sollte. Die Essenz dieser Lehre lässt sich in der Haltung „Don’t like, don’t dislike, just act“ zusammenfassen. Sie fordert dazu auf, Aufgaben und Verantwortungen mit einer inneren Neutralität auszuführen – ohne emotionale Anhaftung an Erfolg oder Misserfolg.
Dharma, das in den vedischen Traditionen als die individuelle Lebensaufgabe verstanden wird, steht in enger Verbindung mit diesem Prinzip. Es geht nicht darum, das zu tun, was kurzfristig angenehm ist, sondern das, was dem tieferen Sinn des eigenen Lebens entspricht. Im Idealfall führt Dharma dazu, dass Menschen ihre einzigartigen Fähigkeiten und Talente auf eine Weise einsetzen, die nicht nur ihnen selbst, sondern auch der Gemeinschaft zugutekommt.
Das höhere Selbst und transpersonale Praxis
Ein weiteres Element, das diesen Ansatz ergänzt, ist das Konzept des höheren Selbst, wie es in der transpersonalen Psychologie verstanden wird. Es beschreibt einen Bewusstseinszustand, der über das individuelle Ego hinausgeht und eine Verbindung zu universellen Qualitäten wie Weisheit, Mitgefühl und Unparteilichkeit ermöglicht. Die Praxis des Karma Yoga fördert diese Bewusstseinsebene, indem sie lehrt, dass Handlungen ohne Erwartungen oder emotionalen Widerstand ausgeführt werden sollen.
Die Neutralität, die dabei angestrebt wird, bedeutet nicht Gleichgültigkeit, sondern eine Form innerer Freiheit. Wer sich nicht an das Ergebnis der eigenen Handlungen klammert, kann sich ganz auf den gegenwärtigen Moment und die Qualität des Tuns konzentrieren. Das eigene Handeln wird nicht mehr durch Angst oder Begierde getrieben, sondern entsteht aus einem klaren Bewusstsein für das, was wirklich zählt.
Fazit: Jenseits der persönlichen Präferenzen
Die Integration von eudaimonischem Glück, Dharma und Karma Yoga eröffnet eine Perspektive auf ein Leben, das nicht von äußeren Umständen oder flüchtigen Emotionen bestimmt wird. Stattdessen rückt ein tieferes Verständnis für das eigene Handeln in den Mittelpunkt. Indem man sich von Anhaftung an Vergnügen und Abneigung gegen Unannehmlichkeiten löst, entsteht eine größere Gelassenheit und eine tiefere Verbindung zum eigenen höheren Selbst.
Ein solches Leben verlangt Übung und Bewusstsein. Doch wer diesen Weg geht, erfährt nicht nur persönliches Wachstum, sondern trägt auch zu einer harmonischeren und bewussteren Welt bei. Die Frage ist nicht, was uns kurzfristig Freude bereitet, sondern was uns auf lange Sicht mit Sinn und innerer Ruhe erfüllt.
In der Bodymind-Therapie, im Gegensatz zu religiösen Traditionen, geht es darum, sowohl Karma als auch Dharma zu integrieren, sowohl Genuss als auch Sinn zu schätzen und sowohl Hedonie als auch Eudaimonie zu leben – jedoch nicht zwingend im selben Moment oder auf Kosten des anderen. Um dies zu erreichen, braucht es ein bewusstes Streben nach einer Win-Win-Situation zwischen den verschiedenen Aspekten unseres Seins, sodass sie sich gegenseitig ergänzen, anstatt sich auszuschließen.
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