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Wie Beziehungen zerbrechen

Die Phasen des Auseinandergehens nach Mark Knapp


Zwei Hände halten jeweils eine Hälfte eines roten, zerrissenen Herzens.

Konfliktvermeidung und mangelnde Konfliktbewältigungsstrategien können die Liebe schleichend zerstören, da ungelöste Spannungen und Missverständnisse die Beziehung unterminieren. Wenn Partner Konflikten ausweichen, um die Harmonie zu wahren, bleiben wichtige Bedürfnisse und Anliegen unausgesprochen, was zu emotionaler Distanz führt und langfristig das Vertrauen in die Beziehung schwächt. Laut dem Paarforscher John Gottman ist nicht der Konflikt selbst schädlich für die Beziehung, sondern der Umgang damit. Werden Probleme nicht konstruktiv angesprochen, sammeln sich Frustrationen und Enttäuschungen, die oft zu innerem Rückzug führen und die Bindung nachhaltig belasten. Mark Knapps Modell der „Coming Apart“-Phasen beschreibt detailliert, wie Beziehungen sich zunehmend distanzieren und letztendlich in einer Trennung enden können. Diese Phasen helfen zu verstehen, wie ein Paar auf wachsende Differenzen und Kommunikationsprobleme reagiert und wie sich dies auf die Beziehung auswirken kann.


Hier die detaillierten Informationen zu den einzelnen Phasen:



#1 – Differenzierung


In der Differenzierungsphase beginnen Partner, sich wieder mehr als Individuen wahrzunehmen, anstatt als Einheit. Persönliche Unterschiede, die in der früheren Phase möglicherweise akzeptiert oder ignoriert wurden, treten jetzt deutlicher hervor und können zu Spannungen führen. Partner könnten sich stärker auf ihre eigenen Interessen konzentrieren, was oft auf das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Selbstfindung hinweist. In dieser Phase treten oft Konflikte und Reibungen auf, da Erwartungen, Werte und persönliche Ziele nicht mehr harmonieren.


  • Merkmale: Wiederentdeckung persönlicher Interessen und Werte, Betonung individueller Identität und Abgrenzung innerhalb der Beziehung.


  • Beispiele: Ein Partner entwickelt ein starkes Interesse an einem neuen Hobby und verbringt viel Zeit damit, während die andere Person diese Zeit lieber gemeinsam verbringen würde. Dies kann zu Diskussionen über Prioritäten führen und den Wunsch wecken, mehr Raum für Individualität zu haben.



#2 – Einschränkung


In der Einschränkungsphase wird die Kommunikation zunehmend auf oberflächliche oder unverfängliche Themen beschränkt. Beide Partner vermeiden tiefgehende oder kontroverse Gespräche, um Konflikte zu verhindern, wodurch die emotionale Nähe abnimmt. Das Reden wird eher routiniert und formal; es fehlt die Tiefe und Spontaneität. Diese Phase verstärkt die Distanz und den emotionalen Rückzug, da wichtige Themen nicht mehr angesprochen werden.


  • Merkmale: Reduzierte Kommunikation, Vermeidung intimer oder schwieriger Themen, Oberflächlichkeit in Gesprächen.


  • Beispiele: Anstatt über Gefühle oder Bedenken zu sprechen, dreht sich die Kommunikation hauptsächlich um organisatorische Fragen des Alltags, z. B. wer den Einkauf übernimmt oder die Kinder abholt. Gespräche, die früher intensiv und lebhaft waren, werden vermieden oder bleiben oberflächlich.



#3 – Stagnation


Die Stagnationsphase beschreibt eine Beziehung, die sich in einer emotionalen Sackgasse befindet. Die Interaktionen sind monoton, die Partner sehen kaum noch Potenzial für Veränderung oder Wachstum, und die emotionale Verbindung ist größtenteils erloschen. Es fehlt das Interesse, die Beziehung zu vertiefen oder zu verbessern, was zu einer gefühlten Leere führt. Obwohl die Beziehung keinen aktiven Konflikt mehr zeigt, wird sie eher passiv weitergeführt, da beide Partner keine Anstrengungen mehr unternehmen.


  • Merkmale: Gefühl der Resignation, Stillstand, passives Akzeptieren der Beziehung, kaum mehr Kommunikation.


  • Beispiele: Ein Paar verbringt den Großteil der Zeit unabhängig voneinander, lebt nur noch nebeneinander her und zeigt wenig Interesse an gemeinsamen Aktivitäten oder Gesprächen. Beide erkennen die Situation, sehen aber keinen Anreiz oder keine Motivation, etwas zu ändern.



#4 – Vermeidung


In der Vermeidungsphase beginnt das Paar, sich aktiv voneinander zurückzuziehen. Direkter Kontakt wird so weit wie möglich vermieden, und die emotionale sowie physische Distanz nehmen zu. Partner könnten bewusste Ausreden finden, um Zeit getrennt zu verbringen, und vermeiden Situationen, die zu Interaktionen führen könnten. Die Beziehung ist in dieser Phase oft emotional vollständig abgeschaltet, was eine Trennung unausweichlich macht.


  • Merkmale: Bewusstes Meiden von Kontakt, physische und emotionale Distanzierung, Ausreden, um Zeit getrennt zu verbringen.


  • Beispiele: Ein Partner könnte vermehrt Überstunden machen oder Treffen mit Freund:innen priorisieren, um nicht nach Hause zurückzukehren. Gemeinsame Aktivitäten und Verpflichtungen werden auf ein Minimum reduziert, und es herrscht eine fast vollständige emotionale Abwesenheit.



#5 – Beendigung


In der finalen Phase wird die Beziehung offiziell beendet. Beide Partner können entweder gemeinsam oder einseitig entscheiden, die Beziehung zu beenden. Diese Phase beinhaltet oft ein klärendes Gespräch, in dem die Gründe für die Trennung besprochen und reflektiert werden. Die Beendigungsphase ist für viele emotional belastend, bietet jedoch die Möglichkeit, mit der Beziehung abzuschließen und Klarheit zu finden.


  • Merkmale: Abschlussgespräche, offizielle Trennung, Abschied von der Beziehung, Verarbeitung der Trennung.


  • Beispiele: Ein Paar, das feststellt, dass es keine gemeinsamen Ziele oder Gefühle mehr gibt, entscheidet sich in einem ruhigen Gespräch für die Trennung. Dies kann mit einem Umzug, rechtlichen Schritten oder der formalen Klärung gemeinsamer Verpflichtungen einhergehen.



Wie Beziehungen zerbrechen – Zusammenfassung


Ein Grund, warum Konflikte vermieden werden, ist die Angst vor Eskalation oder Verletzungen. Doch ohne offene Kommunikation und effektive Konfliktlösungsstrategien bleiben die eigentlichen Probleme unbesprochen, was zu einem „inneren Rückzug“ führt. Studien zeigen, dass Paare, die Konflikte aktiv ansprechen und gemeinsame Lösungen finden, eine höhere Beziehungszufriedenheit und Stabilität erleben. Der Paarforscher John Gottman betont, dass nicht der Konflikt selbst, sondern der Umgang damit entscheidend für die Beziehung ist. Ein Partner, der Konflikte vermeidet, könnte sich unbemerkt emotional abkapseln, was langfristig das Risiko einer Trennung erhöht.


Zudem führt mangelnde Konfliktbewältigung zu einem Teufelskreis: Die Unfähigkeit, über Probleme zu sprechen, kann dazu führen, dass negative Gefühle aufgestaut werden und irgendwann in Form von Kritik oder Vorwürfen zum Ausdruck kommen. Dies kann wiederum beim Gegenüber Abwehrmechanismen hervorrufen und den Konflikt vertiefen. Paare, die keine Strategien entwickeln, um konstruktiv mit Konflikten umzugehen, erleben häufig eine Verschlechterung der Beziehung, da jedes unadressierte Problem die emotionale Nähe weiter schwächt.


Daher ist es wichtig, Konflikte nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu sehen, das Verständnis füreinander zu vertiefen und die Beziehung zu stärken. Offene Kommunikation, Empathie und ein gemeinsamer Wille zur Problemlösung sind essentielle Bestandteile einer gesunden Beziehung, die es Paaren ermöglichen, Konflikte als konstruktiven Bestandteil ihrer Bindung zu nutzen und somit die Liebe langfristig zu bewahren. 



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Quellen


"Interpersonal Communication and Human Relationships" (Knapp & Vangelisti, 2008): Erläutert die Phasen des Auseinandergehens und wie mangelnde Kommunikation die Trennung fördert.


"Social Intercourse: From Greeting to Goodbye" (Knapp, 1978): Beschreibt die Stadien des Auseinanderdriftens und wie Konfliktvermeidung Beziehungen schwächt.


"Nonverbal Communication in Human Interaction" (Knapp & Hall, 2013): Zeigt, wie nonverbale Zeichen wie Distanzierung die wachsende Entfremdung begleiten.

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